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“Aus Fehlern wird man klug”! Ich habe zunehmend Schwierigkeiten mit dem Begriff “Fehlerkultur”, dem Wunsch und Appell aus “Fehlern zu lernen”:

  1. “Fehlerkultur”: das verstärkt unsere westliche Defizitkultur. Auf das konzentrieren, was nicht funktioniert hat, wo Fehler passiert sind, wo wir “besser” werden müssen
  2. Wir gehen hier unachtsam mit Sprache um: wollen wir wirklich eine “Fehlerkultur”? Oder eine Kultur, der Offenheit, Innovation und Kreativität? Wir sollten das ausdrücken was wir, nicht was wir nicht wollen. Wir wollen keine Kultur der Fehler. Aber genau das wird darin ausgedrückt und unser Geist wird auf “Fehler machen” fokussiert.
  3. Aus Fehlern lernen wir vor allem, was wir in Zukunft sicher nicht mehr machen werden, was wir vermeiden wollen, damit das nicht mehr passiert. Wir lernen also, Angst zu haben. Das kann auch zu einer Einschränkung von Möglichkeiten führen, denn Aktivitäten, die sich in der Vergangenheit aufgrund der Umstände oder Entwicklungen als Fehler präsentiert haben, könnten jetzt genau das Richtige sein. Wir alle kennen die Warnungen von “Erfahrenen”, die sagen: “das haben wir schon probiert, hat nicht geklappt”. Der Radius wird enger.
  4. Niemand macht absichtlich einen Fehler. Die wenigsten Menschen – außer es passiert mutwillig (aber dann ist es aus Sicht der Person auch kein Fehler sondern ein gewünschtes Ergebnis) – machen Fehler absichtlich.
  5. Das Konzept “Fehler” ist völlig unhinterfragt. Was ist ein Fehler? Wann wird ein Fehler zu einem Fehler? Welche Qualität von “Fehler” meinen wir? Den Schlampigkeitsfehler? Den Denkfehler? Den Prozessfehler? Den Planungsfehler? Wo entsteht ein Fehler? Im Moment der Entscheidung, im Verlauf danach? Welche Art Fehler meinen wir? Ob etwas ein Fehler ist oder nicht, stellt sich erst meist im Nachhinein heraus, die selbe Aktivität hätte unter anderen Umständen ein Riesenerfolg sein können (z.B. wenn die Kurse doch steigen anstatt zu fallen).
  6. Der Fokus auf Fehler, bzw. Nicht-Fehler führt zu Verunsicherung: “Worrying is planning for what you don’t want”. Fehler machen ist oft mit Angst und Scham behaftet. Von Menschen zu verlangen, Fehler zuzugeben und daraus zu lernen hat leider erst selten funktioniert.

Die Hoffnung zu einer besseren “Fehlerkultur” zu kommen, gemeint ist damit zumeist eine Kultur der Offenheit, Kreativität und Innovation, bzw. Angstfreiheit wird nicht damit erreicht, Fehler von ihrem Makel zu befreien und einen offenen Umgang zu propagieren. Warum reden wir nicht von einer Kultur, die wir wollen?

Grundsätzlich sich kann alles, was wir tun bzw. nicht tun sich als Fehler herausstellen, von unzähligen unvorhersehbaren Faktoren beeinflusst. Wir kennen die Zukunft nicht voraussagen.

Was wir aber tun können ist:

  1. Muster erkennen: wo geht immer wieder etwas in ähnlicher Form schief? Wo gibt es möglicherweise systemische, strukturelle Probleme? Wie zum Beispiel Kommunikation, die nie gelingt, Kundenbeschwerden, die sich in ähnlicher Form häufen, etc. Fehler sind auch Spannungen, oder Fehlleistungen und Hinweise, dass etwas noch unklar ist, noch geübt werden muss oder eine nächste Entwicklungsphase ansteht. Das nennt man dann organisationales Lernen.
  2. Aus Erfolgen lernen: Erfolge können wir Fehler zufällig passieren, Glücksfälle sein. Uns interessieren die Muster, das sind schlichtweg Wiederholungen von ähnlichen Situationen, die immer wieder zu Erfolg führen. Wie beim Gehirn, das in dem Moment, in dem ein kohärentes Ergebnis erzeugt wurde, positive Gefühle erzeugt. Jetzt weiß das Gehirn: ah, ein Ergebnis, diesen Zustand speichern und verstärken, sodass man sich daran erinnert und ihn wieder abrufen kann.  Ich könnte mir vorstellen, dass dies auch für Organisationen zutrifft. Mein Vorschlag ist, sich auf diese Erfolgsmuster zu konzentrieren, sich dieser bewusst zu werden: was ist uns da gelungen? Wie haben wir das geschafft? Was könnten wir für zukünftige ähnliche/andere Situationen ableiten? Wie können wir diese Muster mit positiven Emotionen aufladen und sie auf diese Weise stabilisieren?
  3. Das Gegenmittel/Heilmittel zu Verunsicherung ist nicht mehr Stabilität sondern tiefes Vertrauen zu entwickeln. Die fruchtlose Suche nach der richtigen Lösung, die eine a-priori Festlegung einer Zukunft benötigt, führt nicht zu Sicherheit sondern zu Frust.

Mein Gegenvorschlag ist zu lernen, aus Erfolgen zu lernen, Vertrauen in die Fähigkeiten zu entwickeln und nochmals unseren Begriff von “Fehler” hinterfragen!

Die Idee zu diesem Post hatte ich schon länger, konkret ausgelöst durch die Lektüre diese grandiosen Buches:

Hirnforschlung und Meditation: ein Dialog / Wolf Singer und Matthieu Ricard