Das Leid der anderen

Ich weiß nicht, wie es Ihnen geht. Angesichts der Welt, angesichts von Krieg, Zerstörung, Hass, Erderhitzung, Intoleranz, Angst und Wut allerorts. Wie soll man reagieren? Was soll man sagen? Wohin schauen? Ist es unsere Pflicht uns zu informieren, oder sollen wir weniger “Medien konsumieren”? Wie soll man umgehen mit dem Leid der anderen, denn wir Österreicher leiden ja nicht unter dem Ukraine Krieg, wir werden ja nicht getötet, gefangen genommen, vertrieben, vergewaltigt und gefoltert. Wir haben ja nicht einmal das Recht zu leiden. Wir leiden sozusagen am Leid der anderen, das wir nicht selber erleiden. Dass wir hilflos sind, wütend, verzweifelt, weil die anderen leiden und wir ihnen nur bedingt oder gar nicht helfen (können) ist nichts im Vergleich zu dem, was andere erleiden. Fast noch mehr als das Leid zermürbt mich der Mut der Ukrainer und die Feigheit der Europäer.

Wenn immer ich mich dabei ertappe, dass mir die Tränen kommen, ich mich elend und deprimiert fühle, erinnere ich mich daran, dass nicht ich diejenige bin, die dies erleidet, sondern die nur Geschichten darüber hört, was sie tatsächlich fühlen, körperlich, emotional. Wir können es nicht einmal im Ansatz erahnen und haben kein Recht zu leiden, sondern die Pflicht zu helfen.

Ein Freund von mir ist mit einer Ukrainerin verheiratet deren Familie in Angst und Schrecken in der Ukraine festsetzt. Das ist schrecklich. Nicht unser wehleidiges Gejammer wie schlimm wir es denn haben, diese schrecklichen Bilder ertragen zu müssen.

Was tun? Alles ist besser, als zu Putin zu fahren

OK, also was dann. Life goes on, einfach weitermachen, weiterleben ist das Gebot der Stunde. Das fühlt sich auch nicht richtig an, aber jetzt alles hinschmeißen, auch nicht. Aktionistisch an die polnische Grenze zu fahren und Geflüchtete abzuholen war für Viele so eine erste Entlastungs- und Stressreaktion, das Gefühl “ich bin nicht hilflos”.

Und dann unser BK Nehammer. Fährt zu Putin, weil “irgendetwas muss man ja machen”, als hätte die Welt auf ihn gewartet. Manchmal, ja manchmal ist es besser, die Füße stillzuhalten, und nicht jedem Impuls zu folgen. Es braucht nicht sehr viel politisches Talent oder kommunikatives Geschick um zu Wissen, dass es bei einem Dialog, einer Verhandlung, einem Vermittlungsversuch oder was auch immer das sein sollte, ein Gegenüber braucht, das ein minimales Interesse an einem gemeinsamen Outcome hat. Hätte Putin das, würde er nicht tun, was er tut. Diese Mischung aus Dummheit, Chuzpe, Unsolidarität, Naivität, Geltungsdrang unter dem Deckmantel der Hilfsbereitschaft ist einfach nur erbärmlich. Eine Reise nach Nordkorea bietet sich an.

Für uns anderen bleibt wenig über.

Mir fehlen oft die Worte

Ich bin jetzt wieder auf Twitter. Ich hatte mich letztes Jahr abgemeldet, weil ich die Gedankenausstülpungen der vielen – meist glücklicherweise – unbekannten Menschen, die ihre Wut und Verzweiflung und Zynismus in die Welt kippen nicht mehr aufnehmen wollte. Da es jetzt aber fast unmöglich ist, differenzierte Information aus den sogenannten Mainstream Medien zu bekommen, habe ich mich wieder angemeldet, anstatt ständig meinem Mann sein Handy zu entwenden um in seinem brachliegenden Twitter Account zu stöbern. Ich habe mittlerweile wieder 8 Follower und schreibe fast nichts. Es ist schon alles von allen gesagt, so viele Worte, so viele Meinungen, nichts, was ich beitragen könnte, wäre ein Beitrag. Woher nehmen die Menschen das Recht auf so viel Meinung und ihren ungefilterten Hass in die virtuelle Welt zu speien, sich zu entlasten indem man die inneren Spannungen in die Welt trägt? Aber vielleicht mache ich das ja auch gerade.

Es ist ein Privileg, helfen zu können und nicht Hilfe zu brauchen

Ich habe kürzlich eine Vorentscheidung getroffen allen Menschen zu helfen, die mich um Hilfe bitten oder anbetteln. Ich habe immer Münzen und Scheine bei mir und die verteile ich dann. Am Hauptbahnhof, vorm Spar oder direkte Spendenaufrufe. Die Sache ist nämlich die, dass ich das Privileg habe, dass ich in der Lage bin, helfen zu können, helfen zu dürfen. Keine der 2 oder 20 oder 100 Euro fehlen mir, das ist mein großes Glück, eine Gnade. Das wird mir jetzt erst so richtig bewusst. Ich kann nicht ausschließen, dass ich irgendwann auf 2 Euro angewiesen bin, die mir jemand schenkt. Ich hoffe, dass mir auch geholfen wird, sollte ich es einmal brauchen.

Jetzt ist Zeit zu handeln, nicht zu reden

Mein größter Wunsch wäre, dass wir aufhören, Russland Geld für Öl und Gas zu überweisen. Bis sie aufhören müssen. Auch wenn das bitter ist für “die Wirtschaft” man manche Güter eine zeitlang nicht produzieren kann, was ist das schon gegen diese unglaubliche Unmenschlichkeit, die sich vor unserer Nase abspielt? Wenn wir weiter zuschauen, wird uns das irgendwann beißen, die Schuld, die Untätigkeit, der Unfrieden werden zu uns zurück kommen und wir werden dann sagen: na wenigstens haben wir damals nicht einen Wirtschaftsrückgang im einstelligen Bereich verkraften müssen? Aber, mich fragt niemand und so sitze ich hier und die Worte bleiben mir ständig im Hals stecken und die Wut im Bauch ist Energie die ich versuche mit dem Gegengift Dankbarkeit und Hilfsbereitschaft zu neutralisieren.

Mir fehlen die Worte, es kommt nur mehr so Gebrabbel raus, eine Mischung aus öfter gedachten Gedanken, spontanen Emotionen und subjektiven Wertungen. Dafür, dass sie mir fehlen, habe ich jetzt doch noch ein paar gefunden, die ich teilen wollte, vielleicht sind ein paar Gedankenanstöße für andere dabei, vielleicht nicht, jedenfalls danke für Ihre Aufmerksamkeit bis hierher.