Lange Zeit lebten die Menschen eingebettet in einer beseelten Welt, alles um sie war lebendig und göttlich: Pflanzen, Steine, Flüsse, Sterne und Tiere. Irgendwann wurde dann das Göttliche aus dieser Welt genommen und an den EINEN überhöhten Gott delegiert und zurück blieben eine entseelte Welt und ihre leblosen und seelenlosen Dinge, die wir nun ohne Skrupel ausbeuten und zerstören konnten. Eine materielle und tote Welt, die wir plötzlich in “Besitz” nehmen konnten, die nun uns Menschen “gehört” und in der und aus der wir alles nehmen können.

So weit so schrecklich. Die Ergebnisse können wir sehen: wir zerstören nach und nach unsere eigene Lebensgrundlage, schaffen Leid für Tiere und Pflanzen und viele Menschen. Doch dies ist im kollektiven Bewusstsein angekommen, wir wissen das, wir teilen diese Erkenntnis, mit unterschiedlichen Konsequenzen.

Doch es gibt noch eine andere Entwicklung, die mich noch mehr beunruhigt und die sich bisher nur in einem diffusen Unwohlsein ausgedrückt hat: die fortschreitende Entseelung der Menschen. Wir beginnen zunehmend nicht nur andere, sondern auch uns selbst als Objekte unseres Strebens nach Anerkennung, Erfolg, Glück und Reichtum zu sehen. Und waren früher zur Ausbeutung noch andere Menschen nötig, sind wir es nun selbst.

Irgendwann vor gar nicht allzu langer Zeit haben wir begonnen, Menschen als  “Human Resources” zu bezeichnen.

Menschliche Ressourcen. Ressourcen sind dazu da, genutzt, benutzt, ausgenutzt, abgebaut, verarbeitet, verkauft und in Geld umgewandelt zu werden.

Wir haben begonnen, uns selber als Objekte zu verstehen, unsere Körper als Modeaccessoires und Statussymbole zu gebrauchen.

Wir verschwinden zusehends in unseren Screens, in unseren virtuellen digitalen Profilen, die zu Ersatzwirklichkeiten geworden sind. Einsamkeit ist die Seuche des 21. Jahrhunderts und gilt als Hauptursache für viele Herz-Kreislaufkrankheiten, Diabetes, Depression, Abhängigkeiten und Selbstmorde. Technologie verbindet uns auf einer digitalen Ebene, aber sie trennt uns auf einer seelischen Ebene, trennt uns als menschliche Wesen, in unsrer eigenen Natur.

Wir lassen zu, dass uns unsere eigene Entmenschlichung als Fortschritt verkauft wird: bald müssen wir nicht einmal mehr in den Supermarkt gehen, Amazon wird uns die Lebensmittel direkt in den Kühlschrank liefern. Wenn wir in sogenannten “Entwicklungsländern”, also Länder, die “leider” noch nicht so entwickelt sind wie wir, auf den Markt gehen, sehen wir dort Menschen, die miteinander sprechen, Tee trinken, handeln, miteinander in Beziehung sind. Jedes Gemüse wird in die Hand genommen geprüft und ausgewählt. Märkte waren seit jeher Orte der Gemeinschaft, der Community, des Austausches, der menschlichen Begegnung. Dies alles lassen wir uns nehmen und feiern den Fortschritt, die Digitalisierung unseres Lebens.

Wir werden sehr bald bei Reisen nicht mehr nach dem Weg fragen und mit Menschen sprechen, sondern in einem selbstfahrenden Hotelzimmer neue Städte besichtigen, am Abend docken wir dann an der nächsten Hotelbase an, sehen uns eine Netflixserie an und das Essen wird direkt ins Zimmer geliefert.

Data Mining bedeutet, dass unsere Sehnsüchte, Wünsche, Haltungen, Meinungen, Bedürfnisse, Verhalten und Beziehungen zu Gold gemacht werden. Die Daten werden genutzt, um uns eine digitale Welt vorzuspiegeln, die uns am besten zu entsprechen scheint und in der wir konsumieren und noch mehr Daten lassen. Eine Doppelmühle. Wir werden an uns selbst verkauft, wir hängen an der digitalen Matrix, die wir zugleich speisen und konsumieren. Klingt nicht sehr göttlich oder menschlich oder nährend, weder auf einer seelischen noch emotionalen Ebene.

Zunehmend sehe ich menschliche Hüllen die auf mich wirken, als hätten ihnen ihre Screens die Seele aus dem Leib gesaugt. Sie sehen einen mit leeren Augen an und das Glück über den Fortschritt, den sogenannten, lässt noch etwas auf sich warten.

Wir lassen und machen uns zunehmend zu Objekten, die zur Ausbeutung zur Verfügung stehen, die ihr Menschsein, ihre Seele zugunsten von ein bisschen mehr Bequemlichkeit, etwas mehr gefühlter Bedeutung auf der Strecke lassen.

Das ist nicht die Welt, in der ich leben will. Wir zahlen jetzt schon einen zu hohen Preis und merken es noch nicht einmal.