Wir alle kennen diese Situationen, die – letzten Endes – alles verderben. Auch wenn es bis dahin – vermeintlich – gut war. Und umgekehrt kann ein gutes Ende alles Schwierige, was davor war, viel positiver und wertvoller erscheinen lassen: Ende gut – alles gut.
Die schlechte Gegenwart verändert die Vergangenheit oft schlagartig, dazu möchte ich ein paar aktuelle Beispiele geben.
- Die Kündigung: Die Führungskraft eines Kunden ruft uns verzweifelt an: er wurde, nach 15 Jahren Zugehörigkeit und loyalem Einsatz für das Unternehmen in einem 5-minütigen Telefonat von einer ihm nicht bekannten HR Mitarbeiterin gekündigt. Neben der Tatsache, dass er nun ohne Job dasteht, ist er vor allem durch die Art und Weise schockiert, in der man sich von ihm getrennt hat. Er empfindet diese Form als unwürdig und in keinster Weise angemessen. Uns hingegen ruft er eigens am, um sich von uns zu verabschieden und sich für unsere Unterstützung und Begleitung während all der Jahre zu bedanken. Selbst in diesem Moment zeigt er sich wertschätzend und integer, so wie wir ihn all die Jahre auch kennengelernt haben. Plötzlich erscheinen ihm die 15 Jahre in einem anderen Licht: so unwichtig ist er? So wenig wird er geschätzt, dass man ihm nicht einmal so etwas wie die letzte Ehre eines guten, offenen, persönlichen Gespräches erweist?
- Der Auszug: 9 Jahre waren mein Mann und ich Mieter im Obergeschoß eines Einfamilienhauses. Im Erdgeschoss lebt die Vermieterin und Eigentümerin, eine nette, lustige Frau meines Alters. Bei allen Schwierigkeiten, die ein relativ enges Zusammenleben mit sich bringt – ja, man geht sich manchmal auf die Nerven und ja, man schaut über das eine oder andere hinweg – hatten wir ein gutes und im Grunde genommen freundschaftliches Verhältnis. Zumindest gefühlt. Ab dem Zeitpunkt der Ankündigung unseres Auszuges kippte die Stimmung völlig: es gab kein direktes Gespräch mehr, kein freundliches Wort und über Dritte erfuhren wir, dass wir wohl die schrecklichsten Mieter aller Zeiten gewesen sein mussten. Für mich war dieser Prozesss sehr überraschend und auch kränkend und ich merke, dass ich nicht mehr gerne an diese Zeit denke und froh bin, nicht mehr zu wohnen. Schade. Das Ende wirft einen langen Schatten auf die Zeit davor.
- Die Schlachtung. Ein befreundetes Psychotherapeutenpaar aus dem Innviertel züchtet nebenbei wunderbare Wollschweine. Diese herrlichen Tiere haben ein schweinegutes Leben mit allem, was sich das Schweineherz wünschen kann: riesig viel Platz, Wasser, Wald, freie Flächen, bestes Futter und natürliche eine sozial hochwertige Umgebung mit Freunden und Familie. So weit so gut, denn irgendwann kommt das Ende und das ist extrem wichtig: die Schlachtung. Wir erfahren, dass 99 Prozent der Schlachthöfe ein absoluter Horror für die Tiere sind. Schon der Transport dorthin ist eine ungewohnte und bedrohliche Erfahrung und vor Ort werden sie nicht selten mit Elektroschocks angetrieben, hören das laute Quieken ihrer Kollegen und geraten dabei selbst in Panik. So werden sie dann also getötet, vollgepumpt mit Stress- und Angsthormonen, die wir essen. Unsere Freunde hingegen haben einen der ganz wenigen kleinen Schlachthöfe gefunden, die ihre Tiere liebevoll und respektvoll behandeln. Nach dem Transport bleiben sie noch eine Nacht am Schlachthof, um sich zu beruhigen. Danach werden sie so sanft getötet, wie es eben möglich ist. Sie wissen: die falsche Schlachtung, das schlechte Ende, verdirbt die Arbeit und Mühe bis dahin. Bio hin oder her.
Ich könnte noch viele andere Beispiele nennen, auch solche, in denen ich ein Ende unwürdig und schlecht gestaltet habe, was sowohl einen Schatten auf die Vergangenheit als auch auf die Zukunft geworfen hat.
Manche Menschen meiden mich bis jetzt, oder ich sie, aus Ärger, Gekränktheit oder auch Scham über ein unwürdiges Ende. Ich denke zum Beispiel an einen Freund, mit dem ich per Brief Schluss gemacht habe, um das direkte Gespräch zu vermeiden. Nicht gerade heldenhaft. Es hat lange gebraucht, die Scherben wieder einzusammeln und manche liegen sogar heute noch herum. Und natürlich wirft dies auch ein schiefes Licht auf manches Gutes, das davor geschehen ist.
Beziehungen können also auch rückwirkend beschädigt werden, sowohl Freundschaften als auch Geschäftsbeziehungen. Wenn Unternehmen ihre MitarbeiterInnen am Ende respektlos behandeln, stehlen sie ihnen in gewisser Weise viele Lebens-und Arbeitsjahre, auf die diese nur mit sehr viel bewusster Atmung, trotz aller Kränkung, mit Freude und Stolz zurückschauen können. Ganz abgesehen davon ist es auch unklug, Menschen am Ende zu vergrämen, denn sie sind wichtige Botschafter in die Welt. Sie reden möglicherweise mit Kunden, KollegInnen, BeraterInnen und BewerberInnen über ihre Situation. Und die Art und Weise, wie Unternehmen Enden gestalten sagt viel über ihre grundsätzliche Haltung aus.
Wir sind alle nicht perfekt, manchmal sind wir einfach feig, oder zu faul oder zu ängstlich, zu unachtsam oder desinteressiert, um ein Ende würdevoll zu gestalten. Alles sind wir Menschen mit Fehlern und Unvollkommenheiten. Aber gerade deswegen sollten wir uns bewusst machen, dass Enden manchmal wichtiger sind als der Anfang und alles was dazwischen war. Wir haben wenig Übung darin, Enden bewusst zu gestalten und glauben vielleicht, na gut, es ist ja jetzt eh egal, wir werden eh nicht mehr zusammen wohnen, arbeiten, leben. Ganz im Gegenteil, Enden sind sogenannte “moments of truth”, in denen sich unsere wahre Absicht, Echtheit und Haltung offenbart. In dem Moment freundlich und wertschätzend zu sein, in dem ich es nicht mehr unbedingt sein muss, ist entscheidend für die Glaubwürdigkeit und die Echtheit meines vorigen Verhaltens.
Die Gegenwart verändert die Vergangenheit und definiert die Zukunft. Ich plädiere hier für das gute Ende, wenn es uns denn möglich ist. Aber es ist vielleicht nie zu spät, ein gutes Ende gehabt zu haben. Möglicherweise gibt es ja noch die Gelegenheit, auf Menschen zuzugehen die wir mutmaßlich gekränkt haben und sie zu einem alternativen Ende einzuladen. Eine Entschuldigung, ein nettes Wort, manchmal braucht es nicht viel.
In the end it will be good and if it’s not good, it’s not the end!