Ich soll also zum “Global Meeting” des “PWN – Professional Women Network kommen” und dort ein Panel moderieren und überhaupt beitreten. Hm. Allein dieser pompöse Name macht mir keine Freude und schon gar nicht, was ich mit Business Frauen Netzwerken verbinde: ehrgeizige Karrierefrauen, die darüber reden, dass und wie sie bei den Männern mitspielen können.

Andererseits kann ich schwer ablehnen: Sorana, eine ehemalige Auftraggeberin eines sehr wichtigen und großen Kunden (sie ist jetzt selbständig) hat mich gebeten, zu kommen. Wir haben immer sehr gut zusammengearbeitet und mit ihrer Begeisterung steckt sie mich an. Außerdem fühle ich mich geschmeichelt, dass sie mich unbedingt dabei haben will, sie erwischt mich auch bei meiner Eitelkeit. Und dann denke mir den typischen Trostgedanken: wer weiß wofür’s gut ist.

Ich trete mit Bauchweh dem Netzwerk bei, buche den Flug und weiß nicht, was ich dort, in Madrid, tun soll: weder strebe ich eine (klassische) Karriere an und überlege, wie ich von einer Mittel in eine Top Position komme, noch brauche ich Tips zum Thema wie Kind und Karriere managen. Weil ich ja kein Kind habe.

Interessanter wird es, als mir Sorana unzählige Unterlagen schickt: Studien von BCG, McKinsey, dem Europäischen Parlament, E&Y und XYZ, die ich mir in Vorbereitung auf das Panel pflichtbewusst und zunehmend fasziniert durchlese. Wusstet ihr zum Beispiel,

  • dass wir, wenn wir an Manager denken, automatisch an Männer denken?
  • dass weltweit nur 9% der CEOs Frauen sind und nur 21% der Senior Positionen?
  • dass 74% der Frauen die Ursachen dieser Situation auf eine “male dominated culture” zurückführen aber nur 28% der Männer?
  • dass viele Frauen ihre Top Karrieren abbrechen, weil sie sich keine Erfolgschancen auf eine Position an der Spitze ausrechnen? Und zwar, weil sie dort nur Männer sehen und wir uns umso höhere Chancen ausrechnen, je ähnlicher wir jenen wähnen, die diese Positionen einnehmen?
  • dass die Länder, in denen es Quoten gibt, sehr erfolgreich Frauen in Vorstandspositionen gebracht haben und diese Unternehmen erstaunlicherweise nicht zusammengebrochen sind, sondern überdurchschnittlich gut performen?
  • dass nur 24 (Stück, nicht Prozent) der Fortune Top 500 Unternehmen von Frauen geführt sind?
  • dass die Gehälterunterschiede mit der höheren Position in der Hierarchie größer sind und in den USA höher als in Europa (23% vs 16%)? Und zwar – jetzt haltet Euch fest – weil Ergebnisse unter der Führung von Männern, ihnen persönliche zugeschrieben werden (großer Bonus), bei Frauen hingegen andere Faktoren als ausschlaggebend gelten (kleiner Bonus).
  • dass Frauen besonders gerne und sehr oft sogenannte “cliffhanger” (zum Scheitern prädestinierte) Positionen bekommen, in denen sie recht isoliert Krisen managen müssen und oft auch scheitern (müssen)?. Das schreckt dann aber die anderen Frauen ab, weil sie sehen, was dann passiert.
  • dass Männer UND die Frauen sehr besorgt sind, dass Männer durch die Quotenregelung benachteiligt werden könnten, während Männern die Praxis der massiven Benachteiligung von Frauen weit weniger Probleme bereitet. Also gut beim Austeilen, äußerst wehleidig beim Einstecken. (eh nicht alle..)
  • .. und so weiter und so weiter. Also doch unfair und ärgerlich alles zusammen genommen.

Ich bin schon motivierter, vielleicht doch eine gute Sache, denn mit einem höheren Anteil an Frauen in Entscheidungspositionen ist nicht nur den Frauen geholfen, sondern der Welt, die dringend Veränderung braucht. Und auch jenen (jungen aber auch älteren) Männern, die nicht mehr der typischen Männerstereotype vom toughen, rücksichtslosen, entscheidungsfreudigen  nach Prestige hungrigem Mann entsprechen wollen.

Gut, nach 3 Stunden Flug – Madrid ist doch weiter weg als ich dachte – betrete ich übermüdet und leicht neben mir stehend denn Konferenzraum. Was ich nun sehe, ist höchst überraschend bis irritierend: Anstatt der üblichen Menge an dunklen Anzugträgern sehe ich jede Menge Buntheit und Schönheit: 250 Frauen mit jeder Menge Farbe in den Haaren und im Gesicht, in bunten Kleidern mit teuren Taschen, viel, sehr viel Schmuck und hohen Schuhen. Statussymbole Dazwischen vereinzelt ein paar Männer, sie wirken recht verloren. Langsam verstehe ich, warum sich manche Männer von erfolgreichen Frauen eingeschüchtert bzw. bedroht fühlen – sie sehen einfach beeindruckend aus, in ihrer Pracht, mit ihrem Selbstbewusstsein und ihrem beeindruckenden Portfolio an “Senior Positions”. Noch dazu in dieser Dichte.

Auf der Bühne erzählt eine Google Top Managerin, wie sie ihre Karriere geschafft hat, von McKinsey zu Google, dazwischen 3 Kinder bekommen hat (4,6 und 8), dass diese mit dem Bus in die Schule fahren und ihr Mann sehr unterstützend ist, und sie sogar einmal in der Woche gemeinsam trainieren, das geht sich alles auch noch aus. Und dass die Umarmung eines ihrer Kinder eine riesige Energiequelle ist. Und dazu sieht sie natürlich noch toll aus, hat eine perfekte Figur und ein äußerst gut sitzendes Kleid an. Und dann muss sie auch schon weg, zu einem “urgent meeting”.

Die nächste Frau hat alle erdenklichen Board Positions dieser Welt, wow. Ich wusste gar nicht, was es da alles gibt. Und die nächste hat erfolgreich ein Familienunternehmen in die Höhe gebracht, mit 27, und nun leitet sie ein Riesenunternehmen. So geht es weiter. Ich weiß danach von jeder der Damen, wie viele Kinder sie hat und wie sie aussehen (Familienfotos) und teilweise auch Fotos aus ihrer eigenen Kindheit: “with three brothers I learned how to succeed in a men’s world, I had to fight for my food”. Ob Männer auch die Fotos ihrer Kinder herzeigen würden? Ja, definitiv.

Dann meldet sich eine junge Frau aus dem Publikum zu Wort, sie hätte vor drei Monaten ihr drittes Kind bekommen und würde sich nun wieder auf den Wiedereinstieg in 2 Wochen vorbereiten. Ja, in Spanien ist das etwas anders als in Österreich.

In der Pause werde ich gefragt, ob ich in einem Board bin, und ich sage “no”. Macht ja nix.

Die nächste Dame erzählt uns, das Wichtigste überhaupt sei es “to choose the right husband”, einen, der eben nicht nur “mithilft” sondern Verantwortung übernimmt für das Familiäre. Wenn man den nicht hätte “look for another one”.

Eine Businessfrau aus Dubai erzählt, wie sich die Situation für Frauen in den VAE und in Saudi Arabien entwickelt, dass die Dinge freilich langsam aber stetig vorangingen. Dass jetzt die Unterwäsche nicht mehr von Expat-Männern sondern von einheimischen Frauen verkauft werden dürfe ist ein Riesenschritt. Das Problem sei aber die Transportation zum Arbeitsplatz, da Frauen ja nicht Autofahren dürfen.

Ein Anwalt erzählt, was sie alles Tolles an Frauenförderung machen und wird beklatscht.

Beeindruckend ist aber tatsächlich das Niveau: es spricht nun die global CFO von Visa und erzählt, dass sie die Karriere ohne ihren männlichen “Sponsor” nicht geschafft hätte, oder nicht zumindest nicht in dieser Form. Es gibt also auch viel Anerkennung für Männer und ihre Rolle, angenehm wenig Männer-Bashing, das finde ich nämlich eher kontraproduktiv (aber manchmal muss es halt sein, wenns so ist).

Ich fühle mich noch immer fehl am Platz, ich kann hier wenig beitragen und die Tips sind für mich – wie vermutet – nicht relevant. Gleichzeitig bin ich doch beeindruckt von der Dichte an hochrangigen Managerinnen und die Sponsoren sind auch sehr weit gestreut: Von Siemens über Disney, BankInter, Google… you name it.

Beim Mittagessen wird es dann aber sehr nett, ich bin am Tisch mit sehr lustigen, gescheiten Frauen, wir lachen viel und wundern uns über das give-away: ein Deo von Dove in Reisegröße. Es ist klar: jede dieser Frauen hat einen mutigen und langen Weg hinter sich und ihre schweren Themen. Und alle haben viel Humor dabei, angenehm.

Am Abend beim Networking Empfang: wieder fast nur Frauen, das ist doch ungewohnt. Alle sehr schick aufgestylt, wenn Männer glauben, die Frauen machen sich nur für ebendiese schön, ist das weit gefehlt.

Am zweiten Tag gibt es eine Session mit einer Beraterin für “Positive Presence”. Heimlich mache ich mich darüber lustig, ich finde das Ganze recht banal. Wir füllen Fragebögen aus, wie wir uns selber sehen und was wir glauben, wie uns andere sehen, ich erfahre (nicht zum ersten Mal), dass Augenkontakt wichtig ist und dass schon bitte jeder Mensch seinen eigenen Weg finden solle sonst wirkt es aufgesetzt und nicht authentisch (no na), die Ratgeberbücher sind schlecht, außer ihres natürlich.

Ich setze daher ein falsches Lächeln auf und mache brav mit. Das Lächeln gefriert aber etwas, als die Beraterin die Worte aufzählt, die mit “positive presence” und Erfolg in Verbindung gebracht werden (meine für mich gewählten Begriffe waren nicht dabei) und im Anschluss sagt: viele von Euch haben sicher Begriffe wie “friendly” und “warm” in der Selbstbeschreibung genutzt. Erwischt. Ich lache etwas betreten. Was ist eigentlich schlecht daran ein freundlicher und warmherziger Mensch zu sein? Nichts, außer dass sie eben nicht die Wirkung erzielen, die wir vermutlich erzielen wollen, nämlich die, von einer “confident”en und selbstbewussten Frau. Ich werde getröstet, eine Frau sagt später zu mir, dass ich – obwohl keine Board Position oder in einer Senior Manager Role – “Impact” hätte (whatever that means).

In der Pause rede ich mit drei gescheiten und äußerst netten Frauen: eine aus London, die andere aus Stockholm und die nächste aus Dublin. Alle laden mich ein, in ihre Stadt zu kommen und an einem ihrer Events teilzunehmen, oder einfach so zu kommen. In Dublin und Stockholm war ich noch nie, und ich habe selten in so kurzer Zeit so viele nette Menschen (die Männer dort waren auch sehr nett) getroffen.

Auf dem Podium sind nun zwei Head-Hunter (einer ist immerhin der CEO von Amrop, einer der größten Headhunting Companies weltweit), die mit treuherzigem Blick ihr großes Pfadfinderehrenwort geben: nämlich, dass sie in den letzten 15 Jahren von ihren Kunden nie explizit nach einem Mann gefragt wurden, wohl aber nach Frauen: “we find the best candidate for our clients, the only thing that counts is the qualification”. Für manche Positionen gäbe es halt nicht die notwendige “quantity” an Frauen.

Endlich kommt mein Panel “Women getting and performing on Boards of listed corporations”.

Ich habe nun das Setting geändert, die Damen in kleinen Sesselkreisen gruppiert und nach einer Erstrunde meines werten Panels reden sie tatsächlich miteinander. Danach hole ich ein paar Statements und Fragen ein und es entsteht eine intensive Diskussion.

Die Damen auf meinem Podium sind super: Frauen, die wirklich etwas bewegen, gute Initiativen haben, in Aufsichtsräten von großen Firmen sind und sehr bescheiden und erfrischend ehrlich über ihre Erfahrung sprechen. Meine Frage, warum sie sich diese Rollen “antun” beantworten sie mit ihrem Wunsch, Entscheidungen zu treffen, Europa voranzubringen, unser aller Umfeld aktiv mitzugestalten. Sie wollen in Machtpositionen, damit sie etwas machen können.

Ich würde gerne mit diesen Frauen arbeiten. Und zwar an den Fragen, wie Frauen mit ihren Bildern und Konzepten über sich und die Welt eine Realität schaffen, unter der sie leiden: unter zum Beispiel dem “glass ceiling”: hat die schon jemals irgendjemand gesehen? Da können Frauen auch viel von Männern lernen: sie erfinden keine extra Ausdrücke für sie benachteiligende Situationen. Ich glaube, dass Frauen aufhören sollten “to belief their beliefs”: also ihre Annahmen für wahr zu halten. Voll Verantwortung zu übernehmen für die Situation in der sie selber sind: Zumindest für den Teil, für den sie wirklich verantwortlich ist und das ist auch, wie sie die Welt beschreiben, zum Beispiel. Ein “Personal Mastery” für Frauen. Das wäre cool. Das könnte ich tun. Das kann mein Beitrag sein, und ein etwas fetzigere Konferenzformat gerne auch dazu.

http://www.pwnglobal.net

http://www.wcnvienna.org

(Sorry, ich habe keine eigenen Fotos gemacht. Die Fotos meines Nokias sind wirklich elend, außerdem ist die Speicherkarte nach 5 Fotos voll. Ich lebe ja noch immer recht gut ohne Smartphone, wie ihr hier nachlesen könnt. Das Titelfoto ist von der PWN Website kopiert).

P.S.: Das Thema Flüchtlingskrise kam in nicht einem einzigen Gespräch im Ansatz zur Sprache. Die Tatsache, dass ich aus Wien war, hat nirgends auch nur die kleinste Frage ausgelöst. Mit der Distanz schwindet die Relevanz. Während es bei uns kaum ein anderes Thema gibt. Das war eigenartig, aber auch erholsam, für 2 Tage aus diesen Themen auszusteigen. Trotzdem waren sie immer da. Meine Erfahrung zum Thema Flüchtlingshilfe habe ich in einem eigenen Blog erzählt.)